Die Entwicklung der Fechtkunst


Der Ursprung der Fechtkunst in ihrer heutigen Bedeutung geht zurück bis in die zweite Hälfte des 15.Jahrhunderts. Doch bereits lange Zeit davor wurde gefochten - nur waren es vorher Brauch- und Kampfübungen zur Erlangung der Wehrfähigkeit und für die Anwendung im Kriege bestimmt. Der neue Gedanke, der aus Südeuropa stammte und sich von dort aus schnell nach Norden ausbreitete, war, das Fechten nicht mehr als bloße Übung für Angriff und Verteidigung auf dem Schlachtfeld anzusehen. Mit festen Regeln und entsprechender Ausbildung wurde sowohl beim Adel wie bald auch in den Städten entweder gefochten, um sich sportlich zu betätigen und mit der Zeit das Fechten als Kunst zu betreiben oder aber sich einer ebenfalls neu aufkommenden Mode hingeben zu können - dem Duell.

Die älteste Fechtlehre in Deutschland wurde bereits als Handschrift 1389 von Johann Liechtenauer herausgegeben; sie beschäftigte sich aber hauptsächlich noch mit den Regeln für den gerichtlichen Zweikampf, bei dem durch ein Gottesurteil ein Entscheid herbeigeführt werden sollte. Erwähnt wird hier aber schon das Schulfechten.

Es wurde lange und erfolglos darüber diskutiert, ob auch die Entwicklung des mittelalterlichen Schwertes, das mit voller Fassung der ganzen Hand um den Griff geführt wurde, zum leichteren Degen das Vorankommen der Fechtkunst in die Wege leitete oder ob gerade umgekehrt die Waffe in ihrer entwickelten Form der neuen Lehre folgte. Tatsache ist, daß es ebenfalls im 15.Jahrhundert aufkam, den Zeigefinger zum Zwecke der besseren Führung der Waffe um die Parierstange zu legen. Die Folge war, das bislang einfache kreuzförmige Gefäß der Schwerter mit zusätzlichen Bügeln und Spangen zum besseren Schutz der Hand auszustatten. Damit war man auf dem Wege zum leichteren und besser nach Regeln führbaren Degen und gleichzeitig auch zum Fechten in der jetzigen Bedeutung des Wortes.

Durch die aufkommende Buchdruckerkunst war es möglich, erste wohl aus Italien stammende Werke über die Fechtkunst zu verbreiten. Fechtschulen entstanden überall und hatten großen Zulauf. Bereits 1487 wurde im Deutschen Reich durch Kaiser Friedrich III. ein Schutzbrief ausgestellt, in dem er den sogenannten ,,Marxbrüdern" das Privileg erteilte, sich Meister des Schwertes nennen zu dürfen. Die Marxbrüder rekrutierten sich aus dem Handwerkerstand der Stadt Frankfurt am Main und stellen die erste bekannte bürgerliche Fechtschule dar. Die Fechter in den Städten sahen ihre Betätigung vor allem in sportlicher Hinsicht, während zur gleichen Zeit dem Adel die Fechtkunst als Mittel dazu diente, im Duell zu bestehen. Für beides - Duell und sportliche Ausübung der Fechtkunst - war es notwendig, schnell in Beobachtung und Bewegung zu sein und durch eine gründliche Ausbildung und Erfahrung die Waffe zu beherrschen. Durch technische Geschicklichkeit im Gebrauch des Degens konnte jetzt der mögliche Unterschied in der Körperstärke der Kämpfenden ausgeglichen werden.

Fechten mit dem Zweihänder
(Joachim Meyer, 1570)

Fechten mit der Dussegge, einer ca. armlangen
hölzernen Übungswaffe für den Hieb
(Joachim Meyer, 1570)

16.Jahrhunderts fortwährend. Immer neue Lehrwerke beschäftigten sich mit der Kunst der Handhabung von Schwertern, Zweihändern, Degen und Rapieren, Stangen, Hellebarden, Dusseggen und Dolchen und beeinflußten die Fechtlehre immer wieder neu. Besonders das 1570 erschienene Werk Joachim Meyers aus Straßburg war richtungsweisend, brachte es doch erstmalig ein klares Bild vom Fechten mit dem reinen Stoßdegen, auch als Rapier bezeichnet. Hier wurde ebenfalls eine wesentliche Neuerung, die als sehr wichtiges Element auch noch den heutigen Fechtern dient, eingeführt, nämlich der regelrechte Ausfall mit dem vorwärtsrücken des rechten Fußes und vorstrecken der rechten Schulter sowie des rechten Armes zum geraden Stoß. Nebeneinander her kamen die italienische, die französische und die spanische Fechtschule auf, wobei in Deutschland nicht zuletzt durch das Werk Meyers die italienische Fechtschule bevorzugt wurde.

Das 16.Jahrhundert war auch das Jahrhundert der Duelle. Von Frankreich her sich allmählich nach Deutschland ausbreitend, entwickelte sich das Duellwesen besonders in den Kreisen des Adels schnell zu einer Seuche, die bald zu Verboten mit strengen Strafen führte. Der Adel sah, wie bereits erwähnt, im Duell eine standesgemäße und passende Möglichkeit zur Ausübung der Fechtkunst, während sich die bürgerlichen Fechtschulen mehr mit der Seite der Körperertüchtigung und der eigentlichen Kunst, eine Blankwaffe zu führen, beschäftigten.

Träger der Fechtschulen in Deutschland waren neben den schon genannten Marxbrüdern die erst Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbaren Federfechter (Feder = leichter Degen). Gelehrt wurde das Fechten von ausgebildeten und geprüften Meistern des Schwertes in den Fechtgesellschaften der Zünfte in den Städten, die damit auch als Vorläufer der heutigen Sportvereine angesehen werden können. Die Marxbrüder und die Federfechter als überregionale Verbände führten an Festtagen Wettkämpfe durch, bei denen ein strenges Reglement und Zeremoniell eingehalten wurde.

Auch im 17.Jahrhundert setzt sich diese Entwicklung so fort, nur etwas gebremst durch die Wirren und Folgen des 30-jährigen Krieges. Die Fechtschulen waren trotz bürgerlicher Ursprünge hoffähig geworden, und auch der Adel sah das Fechten zu Fuß wieder als Kunst an und beteiligte sich an der sportlichen Betätigung der bürgerlichen Zünfte und Wehren. Vor allem jedoch die Städte und deren in Zünften gegliederte Strukturen hatten unter den Nachwirkungen des langen Krieges sehr zu leiden, so daß es Adelige und nicht die bürgerlichen Fechter waren, die die Fechtkunst wiederbelebten und das Fechten als festen Teil der Nachwuchsausbildung pflegten. Das Fechten wurde zum Erziehungsmittel für ein ritterlich-galantes Benehmen. Der sportliche wettkampfgedanke war in den Hintergrund getreten. Das Tragen von Degen wurde zum Statussymbol für Adel, Offiziere und bald auch für Studenten. Die französische Schule, die das Fechten mit den leichten Degen für den Stoß, dem Florett, in den Vordergrund rückte, war nun allgemein beliebt und wurde während des 18.Jahrhunderts vorrangig gelehrt, was auch den allgemeinen Zeitgeist entsprach. Das Duellwesen blühte in diesem Jahrhundert ebenso, während das sportliche Fechten hauptsächlich wohl an den Universitäten praktiziert wurde. Allerdings war es im 18. Jahrhundert eher eine Ausnahme, wenn Bürgerliche fochten.

Bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts galten Unterweisung und Übung der Fechtkunst nach überlieferter Sitte vornehmlich als Ausbildung zum Streitkampf; man wollte bereit sein, wenn ein Duell unumgänglich wurde. Danach trat aber eine Wandlung zum Fechten als friedlichen Sport ein. Zur Lehre Friedrich Jahns gehörte die Kampfübung Fechten als fester Bestandteil des von ihm geschaffenen ,,Turnens". Das Fechten wurde aus dem Adelsprivileg der beiden vorangegangenen Jahrhunderte herausgelöst und zu einer Sache aller Stände gemacht. Ausdrücklich wurde die Tradition der Marxbrüder und Federfechter wieder hervor geholt und zum Leitziel erkoren. Gleichzeitig erfolgte die Trennung zwischen dem aufkommenden Sportfechten und dem studentischen Fechten, das mit schwerer Schutzbekleidung und unbeweglicher Frontalstellung nichts mehr mit der Fechtkunst zu tun hatte. Die Wandlung zum Sport erkannte man daran, daß einerseits die Fechter besondere Bekleidung zu tragen begannen und der Degen, der bis dahin alltäglich zu den zivilen Kleidern getragen wurde, nur noch zur Ausübung von Leibesübungen hervorgeholt wurde.

Der Neuaufbau des Fechtens als Sportfechten erfolgte in den jetzt überall gegründeten Sport-und Fechtvereinen. Der erste in Deutschland, gefolgt von Offenbach und Frankfurt am Main, war der Fechtklub Hannover von 1862. Bald war das Interesse überall recht groß, was schließlich auch zur Gründung einer Fechtabteilung bei der Turngemeinde 1859 Schwenningen führte.

Hansjörg Manz





Der Fechter der französischen Schule
links trifft auf einen Gegner der spanischen Schule
(Malevolti Angelo, 1765)

 
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